Sexualisierte Gesellschaft und die “Hook Up” Kultur

Die Werbung lebt es vor: Freiheit ist das größte Gut, das der Mensch für sich in Anspruch nehmen kann. Ganz gleich in welcher Lebenssituation. Die Werbung erklärt uns, dass es falsch ist sich zu binden. Zum Beispiel in Bezug auf Handyverträge, weshalb immer mehr Anbieter die monatliche Möglichkeit der Kündigung einräumen. Und das betrifft natürlich auch die Sexkontakte. Wenn nachts die entsprechenden Werbeinhalte in einer Endlosschleife abgespielt werden, dominieren Keywords wie unverbindlich, anonym oder diskret. Schließlich geht es darum, dass wir ein Abenteuer erleben. Niemand ist auf der Suche nach dem, was er schon hat beziehungsweise hatte. Stattdessen wird uns suggeriert, dass sich Abenteuer nur in Kombination mit Sex erleben lassen. Dazu werden wir darauf hingewiesen, dass wir allesamt verborgene Fantasien und Wünsche haben und dass es extrem wichtig ist, diese zu befriedigen.

Das geht nur, indem man Sex hat. Und jeder der schon einmal in einer Beziehung gelebt hat, weiß dass das Thema Sex sehr schnell zum Erliegen kommen kann, wenn sich beide Partner erst einmal aneinander gewöhnt haben und der Alltag Einzug hält. Zeit für eine sexuelle Fantasiereise, welche dank digitaler Medien ganz schnell wahr werden kann. Und zwar mit wenigen Klicks. Die Auswahl ist riesig. Zum Beispiel in der Tinder App. Abertausende von Mitglieder sind aus dem selben Grund da, wie die eigene Person: Gucken, was geht. Denn es ist ja schließlich so einfach. Keine Erklärungen keine Ausreden, keine Bemerkungen, keinen Vorwände. Nichts. Stattdessen wird mit einem Klick völlig wortlos erklärt, ob eine Person attraktiv ist oder nicht. Die Bestätigung bedeutet so viel wie: “Ich könnte mir vorstellen, mit dir zu schlafen”. Sieht die gematchte Person das auch so, steht dem unverbindlichen Sextreffen ohne Verpflichtungen nichts mehr im Wege.

Wenn das so einfach geht, stellt sich natürlich die Frage, warum es dann noch eine Beziehung sein muss. Denn die riesige Auswahl an Mitgliedern sorgt dafür, dass der Nutzer das Gefühl bekommt, etwas zu verpassen. Immer mehr Frauen haben das Gefühl sexuell etwas zu verpassen, bevor sie sich auf den Ernst des Lebens einlassen. Schließlich stellen so viele Mitglieder die Möglichkeit auf ein unverbindliches Sex-Date dar. Da gilt es natürlich herauszufinden, was geht und was nicht. Eine Beziehung wäre dabei nur im Weg. Denn dafür ist später immer noch Zeit. Vor allem, wenn wir uns in der Gesellschaft mal umschauen. Die Menschen lernen sich kennen und lieben, sie heiraten, bekommen Kinder und trennen sich wieder. Rosenkrieg mit Kind? Das sind keine attraktiven Aussichten für junge Menschen, die alle Freiheiten der Welt haben. Hinzu kommt der Unterhaltungsfaktor, welchen Flirtapps wie Tinder mit sich bringen. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass für den eigenen Geschmack absolut nichts dabei ist, bleibt der Spaß am Daten, Chatten und Matchen. Und zwar überall. Denn mit der App auf mobilen Geräten ist es überall möglich diese Form der sozialen Teilnahme zu praktizieren. Da fällt es schwer zu verzichten. Denn im Rahmen dieser App wird primär das Gefühl vermittelt, dass man nicht allein ist. Ganz im Gegenteil tausende andere Mitglieder sind ebenfalls dort unterwegs und suchen nichts Festes. Sie sind auf der Suche nach unverbindlichem Sex. Und dabei sind es so viele, dass der Eindruck entsteht, die “Hook Up Kultur” wäre normal.