So haben Digitale Medien unser Dating Verhalten verändert

Ob wir einen Menschen attraktiv finden, entscheiden wir zunächst über das Display. Je nach Gerät weist das Display eine bestimmte Zollgröße auf und entscheidet darüber, wie viel wir von der entsprechenden Person zu sehen bekommen. Und wenn das nicht ausreicht, dann zoomen wir halt. Irgendwie wird es schon gehen. Denn wichtig ist, dass die Person auf dem Display gut aussieht. Auch wenn wir wissen, dass dieser Mensch in der Realität ganz anders aussieht und optisch nicht mehr viel mit der Person auf dem Foto gemeinsam hat. Aber das stört uns nicht, denn wir wissen dass unsere eigenen Bilder welche wir in sozialen Netzwerken hochgeladen haben, dieselben Eigenschaften aufweisen.

Wir haben round about 150 Selfies aufgenommen und das eine gute Foto war wie immer dabei. Dieses Foto hat den Weg in unsere zahlreichen Profile gefunden und wir zählen seitdem die Likes und die Shares. Zusätzlich antworten wir ganz höflich, brav und vorbildlich auf jeden einzelnen Kommentar, welcher unter unser Bild gepostet wurde, da es sich ausschließlich um Komplimente handelt, aus denen hervorgeht, wie gut wir aussehen. Auch wenn wir wissen, dass der Spiegel etwas anderes behauptet und in dauerhafter Konkurrenz mit unserer Kamera auf dem Smartphone steht. Und wer etwas Negatives postet, ist einfach nur neidisch, weil er selbst nicht so viele Likes und Shares hat und / oder der Mensch hat einfach keine Ahnung.

So, wie der Ex-Freund oder die Ex-Freundin. Das wäre sowieso nicht mehr lange gut gegangen, denn er / sie ist ständig in Whatsapp online und antwortet trotzdem nicht auf die eigenen Fragen. Höchste Zeit mit einem “Fuck-You-Emoji” Schluss zu machen. Denn es gibt so viele scheinbar bessere Optionen da draußen. Inzwischen wählen wir unseren Partner nicht nach seinem Habitus, seiner Mimik oder seiner Gestik, sondern nach seiner Art zu schreiben aus. Der Sex-Partner wird vornehmlich nach seinem Bild ausgewählt. Entsprechende Apps und Seiten voller Sexkontakte bieten quasi Sex on Demand an. Wenn der Partner auf seinen Bildern keine gute Figur macht, kommt er sowieso nicht in Frage und wir antworten gar nicht erst auf seinen Kontaktversuch.Das ist der Vorteil beim Digital-Dating.

Wen wir Sex wollen, müssen wir nicht einmal höflich sein und bei mangelnder Sympathie einen Korb verteilen. Wir können einfach ignorieren, blocken oder löschen und müssen uns nicht einmal die Mühe machen, unserem Gegenüber zu schreiben, dass wir kein Interesse haben. Deshalb können wir unsere ganze Aufmerksamkeit bündeln und dorthin lenken, wo wir es für angemessen halten: Zu den Profilen mit hübschen Bildern.

Aber Moment mal, da war doch was. Wir wissen doch noch immer, dass die Bilder nichts mit der Realität zu tun haben. Aber egal, unsere eigenen Bilder ja auch nicht. Und manchmal ist es viel aufregender sich in die Illusion zu verlieben, das digitale Kribbeln wahrzunehmen und sich einfach nur vorzustellen, dass die Person hinter dem Display so ist, wie sie sich im Internet präsentiert: Nämlich einfach perfekt. Und wir kommen ebenfalls perfekt rüber. Warum eigentlich? Vermutlich weil wir dank hinreichender Anonymität im Internet keine Schwächen präsentieren müssen. Ganz im Gegenteil: Wir haben die Möglichkeit, uns von unserer Schokoladenseite zu zeigen. Der Pickel auf der Stirn? Den sieht man auf dem Selfie gar nicht. Er ist also nicht da. Komplexe? Keine Spur. Bin ich perfekt? Na aber selbstverständlich! Das lässt sich schließlich anhand der Anzahl meiner Likes und Shares bemessen. Ist mein Gegenüber perfekt? Natürlich! Weil ich es mir vorstelle, weil ich es auf den Bildern erkennen kann und weil ich diese Vorstellung auf meinem Smartphone und meinem Tablet immer mitnehmen kann.

Wo ich auch bin. Ich bin immer in Begleitung. Meine Freunde, Meine Verflossenen, Mein Schwarm…alle sind stets dabei, wenn ich unterwegs bin. Und sie tun in ihrer Freizeit dasselbe wie ich: Sie repräsentieren die eigene Person im Internet. Das ist einfach nur liebenswert und heutzutage ein absolutes Muss. Denn wer nicht mitmacht, verpasst etwas: Den besten Sex seines Lebens, den Partner für’s Leben oder auch die Möglichkeit, sich an dem Leben anderer zu ergötzen, wenn es in sozialen Netzwerken provokativ zur Schau gestellt wird. Auf jeden Fall verpassen wir die Vorstellung uns einfach alles vorstellen zu können. Freie Gedanken in den digitalen Medien sind allgegenwärtig und inzwischen sogar Bestandteil der Marketing-Konzepte von Email-Dienstleistern.